Die folgende Erklärung wurde von 93 Teilnehmern/innen der Tagung der Gesellschaft für Evangelische Theologie am 17.-19. Februar 2003 in Berlin unterzeichnet:

 

Verantwortliche der Kirchen vereint gegen einen Krieg im Irak

 

Kirchenführer aus Europa, den USA und dem Nahen Osten haben sich am  Mittwoch, den 5. Februar 2003, bei einem Treffen in Berlin in einer  Resolution für eine friedliche Lösung der Irak-Krise ausgesprochen.  Nachdrücklich fordern sie, den UN-Inspektoren ausreichend Zeit für  ihre Arbeit zu lassen. Die Ziele, die besonders von den USA zur  Begründung eines Krieges gegen den Irak angeführt würden, seien nicht  akzeptabel, heißt es in der Erklärung. Die leitenden Kirchenvertreter  rufen die Regierung des Irak dazu auf, alle Massenvernichtungswaffen  zu zerstören und in jeder Hinsicht mit den UN-Inspektoren zusammen zu  arbeiten.

 

 

Die Erklärung im Wortlaut:

 

 

1. Als Verantwortliche aus Kirchen in Europa, in Beratung mit den  Kirchenräten in den USA und dem Nahen Osten, sind wir äußerst besorgt  über die nicht nachlassenden Forderungen der USA und einiger  europäischer Regierungen nach militärischen Aktionen gegen den Irak.  Als Menschen des Glaubens drängt uns die Liebe zu unseren Nächsten  dazu, gegen Krieg Widerstand zu leisten und friedliche  Konfliktlösungen zu suchen. Als Kirchen beten wir für Frieden und  Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit für die Menschen im Irak und im  Nahen Osten insgesamt. Solches Beten verpflichtet uns, Werkzeuge des  Friedens zu sein.

 

2. Wir bedauern, dass die mächtigsten Nationen dieser Welt Krieg  wieder als ein akzeptables Mittel der Außenpolitik betrachten. Dies  schafft ein internationales Klima der Furcht, Bedrohung und  Unsicherheit.

 

3. Wir können die Ziele, die von diesen Regierungen, insbesondere den  USA, zur Begründung eines Krieges gegen den Irak angeführt werden,  nicht akzeptieren. Ein präventiver kriegerischer Angriff als Mittel,  um die Regierung eines souveränen Staates auszuwechseln, ist  unmoralisch und stellt eine Verletzung der UN-Charta dar. Wir  appellieren an den Sicherheitsrat, an den Grundsätzen der UN-Charta  festzuhalten, die die legitime Anwendung militärischer Gewalt eng  begrenzen, und zu vermeiden, dass ein negativer Präzedenzfall  geschaffen wird, der die Hemmschwelle erniedrigt, gewaltsame Mittel  zur Lösung internationaler Konflikte einzusetzen.

 

4. Wir glauben, dass militärische Gewalt ein ungeeignetes Mittel ist,  um die Abrüstung irakischer Massenvernichtungswaffen zu erreichen. Wir  bestehen darauf, dass für die sorgfältig geplanten Maßnahmen der  UN-Waffeninspektionen genügend Zeit eingeräumt wird, um die Arbeit zu  Ende führen zu können.

 

5. Alle Mitgliedsstaaten der UNO müssen sich an bindende  UN-Resolutionen halten und Konflikte durch friedliche Mittel lösen.  Der Irak kann keine Ausnahme sein. Wir rufen die Regierung des Irak  dazu auf, alle Massenvernichtungswaffen zu zerstören und damit  verbundene Forschung und Produktionsstätten aufzugeben. Der Irak muss  in jeder Hinsicht mit den UN-Inspektoren zusammenarbeiten und allen  seinen Bürgern die volle Anerkennung der bürgerlichen und politischen,  wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte garantieren.  Den Menschen im Irak muss die Hoffnung gegeben werden, dass es  Alternativen sowohl zu Diktatur als zu Krieg gibt.

 

6. Ein Krieg hätte unannehmbare Folgen für die Situation der Menschen,  u.a. die Entwurzelung von großen Teilen der Bevölkerung, den  Zusammenbruch staatlicher Funktionen, die Gefahr von Bürgerkrieg und  Destabilisierung der ganzen Region. Das Leiden irakischer Kinder und  der unnötige Tod hunderttausender Iraker während der letzten zwölf  Jahre der Sanktionen lasten schwer auf unseren Herzen. In der  gegenwärtigen Situation bekräftigen wir mit Nachdruck das seit langem  geltende humanitäre Prinzip, bedingungslosen Zugang zu Menschen in Not  zu gewähren.

 

7. Außerdem warnen wir vor den möglichen sozialen, kulturellen und  religiösen, aber auch diplomatischen Langzeitfolgen eines solchen  Krieges. Weiteres Öl in das Feuer der Gewalt zu gießen, das die Region  bereits auffrisst, wird den Hass nur noch weiter anfachen, indem  extremistische Ideologien gestärkt und weitere globale Instabilität  und Unsicherheit genährt werden. Als Verantwortliche aus Kirchen in  Europa haben wir eine moralische und pastorale Verpflichtung,  Fremdenhass in unseren Ländern entgegenzutreten und den Menschen in  der muslimischen Welt die Furcht zu nehmen, die sogenannte westliche  Christenheit stelle sich gegen ihre Kultur, Religion und Werte. Wir  müssen die Zusammenarbeit für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde  suchen.

 

8. Alle Regierungen, insbesondere die Mitglieder des Sicherheitsrates  haben die Verantwortung, diese Frage in ihrer ganzen Komplexität zu  bedenken. Es sind noch nicht alle friedlichen und diplomatischen  Mittel ausgeschöpft worden, um den Irak zu zwingen, den Resolutionen  des UN Sicherheitsrates zu folgen.

 

9. Es ist für uns eine geistliche Verpflichtung, die sich auf Gottes  Liebe zur ganzen Menschheit gründet, uns gegen den Krieg im Irak zu  stellen. Mit dieser Botschaft senden wir ein starkes Zeichen der  Solidarität und Unterstützung an die Kirchen im Irak, im Nahen Osten  und in den USA. Wir beten, dass Gott die Verantwortlichen leiten möge,  Entscheidungen zu treffen, die auf der Basis sorgfältiger Überlegung,  moralischer Prinzipien und hoher rechtlicher Standards beruhen. Wir  laden alle Kirchen ein, sich uns in diesem Zeugnis anzuschließen, für  eine friedliche Lösung dieses Konflikts zu beten und alle Menschen zu  ermutigen, sich am Ringen um eine solche Lösung zu beteiligen.

 

Aufruf von Verantwortlichen aus europäischen Kirchen bei einem Treffen  in Berlin, am 5. Februar 2003,einberufen vom Ökumenischen Rat der  Kirchen (ÖRK) in Absprache mit der Konferenz Europäischer Kirchen  (KEK), dem Nationalen Kirchenrat in den USA (NCCCUSA) und dem  Mittelöstlichen Kirchenrat (MECC), auf Einladung der Evangelischen  Kirche in Deutschland (EKD).

 

Die Liste der Teilnehmenden:

Präses Manfred Kock, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in  Deutschland (EKD), in der 24 lutherische, reformierte und unierte  Gliedkirchen zusammen geschlossen sind. Als oberster Repräsentant  vertritt der Ratsvorsitzende rund 26 Millionen evangelischer Christen  in Deutschland. (www.ekd.de )

Bischof Dr. Rolf Koppe, Leiter der Hauptabteilung Ausland und Ökumene  im Kirchenamt der EKD (www.ekd.de )

Dr. Konrad Raiser, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen,  ÖRK (www.wcc-coe.org )

Dr. Keith Clements, Generalsekretär der Konferenz Europäischer  Kirchen, KEK (www.cec-kek.org )

Bischof Dr. Walter Klaiber, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft  Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), (www.oekumene-ack.de ),  Bischof und damit oberster Geistlicher der Evangelisch-Methodistischen  Kirche (Deutschland) (www.emk.de )

Präsident Jean-Arnold de Clermont, Präsident der Fédération  Protestante de France, die 16 Gliedkirchen, 60 Gemeinschaften und 500  Institutionen, Organisationen und Bewegungen vertritt, mit rund  1.100.000 Mitgliedern. (www.protestants.org )

Bischof Mag. Herwig Sturm, Evangelische Kirche Augsburger  Bekenntnisses (A. B.) in Österreich, oberster Repräsentant der rund  350.000 evangelisch-lutherischen Christen Österreichs. (www.evang.at )

Präsident Thomas Wipf, Vorstands-Präsident des Schweizerischen  Evangelischen Kirchenbundes (SEK), in dem 26 Gliedkirchen vertreten  sind. SEK ist das Schweizer Pendant zur EKD, Wipf ist dem  EKD-Ratsvorsitzenden zu vergleichen (www.sek.ch )

Bischof Jonas Jonsson, Bischof der rund 7,4 Millionen Mitglieder  umfassenden Schwedischen Kirche (Svenska kyrkan). Bischof Jonsson wird  begleitet von Pastor Kjell Jonasson, der im vergangenen Dezember den  Irak besucht hat (www.svenskakyrkan.se )

Probst Trond Bakkevig, Norwegische Kirche. Bakkevig ist Mitglied des  Zentralkomitees des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und  norwegischer Kandidat für das Amt des ÖRK-Generalsekretärs. Die  Norwegische Kirche (Norske Kirke) hat rund 4,5 Millionen Mitglieder,  das sind 86,5 Prozent aller Norweger (www.kirken.no )

Erzbischof Jukka Parma, Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands,  oberster Repräsentant seiner Kirche (Suomen Evankelis-Luterilainen  Kirkko), die 4,5 Millionen Mitglieder hat (84,8 Prozent aller  Einwohner Finnlands) (www.evl.fi )

Bischof Karsten Nissen, Evangelisch-Lutherische Kirche in Dänemark  (Evangelisk-Lutherske Folkekirke in Danmark, 5,1 Millionen Mitglieder,  entspricht 87,7 Prozent aller Dänen), Bischof von Viborg, Vorsitzender  des Programmausschusses des Lutherischen Weltbundes  (www.folkekirken.dk )

Dr. Alison Elliot, Kirche von Schottland (Church of Scotland),  Co-Direktor des Zentrums für Theologie und Öffentliche Angelegenheiten  der Universität Edinburgh und Mitbegründer der Aktion "Churches  Together in Scotland" (ACTS) (www.churchofscotland.org.uk )

Pfarrer Arie W. van der Plas, Vorsitzender der Generalsynode der  Niederländische Reformierte Kirche und Vorsitzender des Moderamen der  Protestantische Kirche in der Niederlände  (www.unitingprotestantchurches.nl )

Erzbischof Feofan, Russisch-Orthodoxe Kirche, ist Erzbischof von  Berlin und Deutschland  (www.r-o-k.de )

Bischof Athanasius von Achaia, Kirche von Griechenland (Church of  Greece) (www.ecclesia.gr )

Rev. Dr. Nuhad Daoud Tomeh, Sonderbeauftragter des Generalsekretariats  des Middle East Council of Churches (MECC), Pastor der Presbyterian  Church of Syria and Lebanon  (www.mecchurches.org )

Dr. Bob Edgar, Generalsekretär des National Council of Churches  (NCCC), USA (www.ncccusa.org )

James Winkler, Generalsekretar des General Board of Church and Society  der United Methodist Church, USA (www.umc.org )

Dr. Rebecca Larson, Executive Director der Division for Church and  Society der  Evangelical-Lutheran Church in America, USA (www.elca.org )

Mister Thor Arne Prois (Director of ACT/Action of Churches Together,  Genf)